2010: Meine Güte wird "100_mehr_satt."

Extraaktion zum Ende hin

Die Künstlergruppe "maximal" stockte auf und zeigt 100 zusätzliche Arbeiten.


Zugleich gab es ein Neujahrsessen.


Das kam bestens an und ergab mannigfache Gelegenheit zu anregendem Gespräch.



Mit Besteck wird man mehr satt!

Seit 22. Oktober läuft die neue Ausstellung

"Meine Güte" - ist das gelb.

Es stellen aus:

Isa Dahl

Thomas Heger

Rolf Kilian

Bernd Mattiebe

Rainer Schall

Daniel Wagenblast

Bernhard Walz

von der Künstlergruppe "MAXIMAL"

Die Gruppe 'Maximal' wurde 1994 gegründet.Die Mitglieder sind alle keine Unbekannten in der regionalen und überregionalen Szene.


Die sieben Künstler haben an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart studiert, sich dort kennengelernt und treffen sich seit nun 10 Jahren in den Ateliers zum Kunstdiskurs und Planung gemeinsamer Projekte.

Wer sich auf seinen Besuch vorbereiten will,

kann das HIER tun.

Dauer der Ausstellung:

22. Okt. 2009 - 23. Jan. 2010

- dienstags bis sonnabends 15.00 bis 18.30 Uhr.

An Feiertagen geschlossen



Aus der Einführung von Dr. Sabine Heilig, Kunsthistorikerin



Sieben unterschiedliche künstlerische Positionen (sechsmal Malerei, einmal Bildhauerei), eine gemeinsame Präsentation.

Nichts wäre für den Besucher nachvollziehbarer als eine herkömmliche Ausstellung mit Bildern an der Wand und Skulpturen im Raum. Doch weit gefehlt! Die Stuttgarter Künstlergruppe antwortet auf die allerorten anzutreffende Monotonie der Ausstellungspraxis auf ihre ganz spezielle, eigenwillige Art und Weise. In facettenreichen Konzepten und Environments treten ihre Kunstwerke mit Dingen der Alltagswirklichkeit in einen spannungsreichen Kontext.

Zu sehen sind zum einen Kunstwerke wie Gemälde auf Leinwand, Baumwolle oder Holz und Skulpturen, zum anderen Alltagsgegenstände in großer Zahl und unterschiedlichster Couleur. Neben einem Eisenbett, Leuchtstoffröhren, einem Telefon, Verkehrspoller und einer Uhr gibt es Möbel aller Art, Gartentische, Klappstühle, einen Teppich, eine rote Lampe, einen Globus und unterschiedlichstes Kartenmaterial, leere Bierflaschen, einen Eimer, ein Paddel und durchsichtige Plastikfolie in großem Umfang.

Mit dieser hat maximal in dem schönen, großen, hellen Ausstellungsraum des Kunstbezirks zwei separate Kabinette im Raum geschaffen, Vitrinen- oder Schaufensterartige Räume, die mit Mobiliar ausgestattet sind, ein Schlaf- und ein Wohnzimmer sozusagen. Über die Säulen und Stellwände wurde meterhoch Folie in mehreren Schichten gewickelt. Das ungewöhnliche Material fällt sofort ins Auge, ist uns seine Verwendung doch in gänzlich anderem Zusammenhang bekannt (Frischhaltefolie, Verpackungsmaterial...). Man kann die Gegenstände in den Folienräumen noch gut erkennen, bekommt jedoch zu ihnen keinen Kontakt; der Betrachter bleibt hier außen vor. Die internen farbigen Lichtinszenierungen versetzen die Räume und ihre Gegenstände zusätzlich in eine künstliche Stimmung.

Wie passt das alles zusammen? Wer hält sich hier auf? Was findet hier statt?

Globus und geografische Karten in dem einen Raum bedeuten Welterkundung, Unterwegs sein, auf Reisen sein. Das einladende Bettgestell im anderen steht für das Gegenteil, für zu Hause sein, Ruhe finden, wenngleich alles etwas klinisch, wie konserviert wirkt, „wie in einem Gurkenglas, das bei Bedarf geöffnet wird“, sagt Isa Dahl.„Es geht uns ums Tun“, sagt sie weiter und betont, dass Kunst ja immer ein Prozess sei, etwas Vorläufiges habe. Das stimmt auch in diesem Sinne: Die Folienräume wirken nicht wirklich bewohnbar, die räumliche Situation ist nicht wirklich real, eher bizarr, eigentümlich.

Diese Inszenierungen machen schon deutlich: Der künstlerische Impuls, der die Gruppe antreibt, ist nicht nur der Aspekt gemeinschaftlicher Aktionen mit „maximaler“ Verbreitung, sondern auch eine lebendige Diskussionsfreude und ein ungebrochenes Interesse an den Erscheinungen des Lebens, in denen Kunstwelt und Alltagswirklichkeit nahtlos ineinander greifen. Räume sind wie Gedanken, konstatiert die Malerin Isa Dahl. Sie füllen sich mit Ideen genauso wie ein leerer Bildraum, mit Nützlichem, mit Unbrauchbarem, Schönem, Scheußlichem, mit allerlei Material. In Räumen und aus ihnen entstehen Geschichten. Hier passiert etwas, es entsteht immer wieder etwas Neues.

Zwischen den Folienräumen haben die Künstler eine hölzerne Plattform aufgebaut. Das 37 Zentimeter hohe, kreisrunde Podest ist zu betreten und von einer umlaufenden Balustrade umgeben. Darauf weisen wie auf einem Aussichtsturm Beschriftungen mit Pfeilen in verschiedene Richtungen auf die Kunst an den Wänden und die Objekte im Raum. Eine große Flasche Asbach lädt zudem zur Stärkung und zum Verweilen ein (bitte nicht, es handelt sich hierbei um ein historisches Produkt!). Hat der Betrachter die Plattform betreten, ändert sich die Wahrnehmung ganz erheblich: die wenigen Zentimeter über dem Boden erzeugen eine völlig andere Perspektive.

Von hier aus lässt sich im übertragenen Sinne die Schönheit und Weite der Welt betrachten: „meine Güte – wie schön ist die Welt“, mag es einem da entschlüpfen. Und wo sind die Kunstwerke geblieben? Natürlich, wie es sich gehört, an weißen Wänden, großformatig, aussagestark, exemplarisch für die jeweilige künstlerische Position.

Einfache Eingriffe verändern die Situation grundlegend, haben wir gesehen. Doch weder im Atelier, noch in einer Galerie oder im klassischen Ausstellungsbetrieb ist die Kunst derart mit der Lebenswirklichkeit konfrontiert. Sie erhält im Kontext der Rauminstallationen eine gänzlich andere Wirkung als im herkömmlichen Zusammenhang. Frei von ästhetischen oder monetären Zwängen muss sie sich hingegen jetzt mit dem jeweiligen Ort und seiner speziellen Situation auseinandersetzen. Doch Herausforderungen machen die Sache spannend und das Prozesshafte, das sich Entwickelnde ist ja Teil der künstlerischen Botschaft von maximal.

Vor fünf Jahren habe ich die Gruppe kennen gelernt. Damals gestaltete sie für den Kunstverein Nördlingen eine gesamte Wohnetage in der Altstadt mit ihrer Kunst: „identity rooms, wohnenträumen“, so der Ausstellungstitel.„Frisch, frech, frei“, schrieb uns dazu ein Besucher ins Gästebuch. Frei von jedem Dogmatismus, frech in der Wahl der Mittel, frisch im künstlerischen Ausdruck, darf ich ergänzen.

 

Bleiben wir noch bei diesem künstlerischen Ausdruck, denn natürlich soll heute auch die jeweilige künstlerische Position kurz zur Sprache kommen.

Tun wir dies in alphabetischer Reihenfolge:

Isa Dahl malt kraftvolle Bewegung, dynamisch ineinander verwobene Pinselschwünge, ein Dickicht von Farbsträngen, selbst das Licht schwingt mit. „bonne heure“ („gute Stunde“, 2009) heißt ihr Bild. Mit dem Blick in die Tiefe ordnet sich der Bildraum blau-violett: à la bonne heure (bravo, herrlich)!

Thomas Heger malt Gefäßformen, Flaschen, Gläser, Vasen zurückgenommen im Farbraum. Darüber, daneben, darunter sitzen, wie auf einer Folie, buntfarbige geometrische Strukturen, die sich auf der Bildfläche zu spielerischen Anordnungen verbinden („Grenzverkehr 1, Himmel“, 2009). Die menschliche Figur bleibt verhalten und kleinformatig im riesigen Bildraum verhaftet.

Rolf Kilians Bilder zeigen wie viel Raum in der Zweidimensionalität zu finden ist. „Vom Fliegen“ (2008) nennt er sein Bild, ein Statement gegen die Gesetze der Flächigkeit und Statik. Schwebende Körper, Geometrie mit

visuellen Stolperfallen, oben-unten, vorne-hinten, - erstaunliche Effekte im Raum.

Bernd Mattiebe malt und arbeitet multimedial. In seinem leuchtend blau – gelb - roten, kontrastreichen Hard Edge Bild (o.T., 2008) ist Farbe über die Leinwand geschüttet. Sie breitet sich über die Bildfläche weiter in den Raum aus. Eine starke Wirkung – und wir werden mittenrein gezogen.

Rainer Schall setzt Kreis und Oval in einen Dauerzustand der Schwerelosigkeit (o.T., 2009). Sein Metier ist eine lyrische Bildsprache, die viel-fältigste Assoziationen weckt, sei es mit gegenständlicher oder auch

abstrakter Geste.

Daniel Wagenblast arbeitet mit der Kettensäge an einer Typologie seiner männlichen Figur „mannautoautomann“ (2007). Er bürdet ihr unendlich viele Aufgaben auf, die eigentlich kaum zu schaffen sind, und dennoch,

anrührend wie der Kerl sein Auto im Arm hält.

Bernhard Walz greift tief in den Farbtopf und rezipiert ohne Scheu historische Vorbilder („Landschaft“, 2009). Raum und Gegenstand wachsen aus der Farbmasse heraus in einer psychologisierenden Farbigkeit und in einem expressiven Gestus.

 

Optisch verbunden sind all diese unterschiedlichen Kunstwerke mit hellen Klebestreifen entlang der Wände, die ein Alpenpanorama assoziieren, wie ein roter Faden, der alles zusammenhält.

 

Kunstwerke an der Wand und Installationen im Raum, wie geht das nun zusammen?

Der visuelle Bezug zwischen beiden Polen ist nicht schwer zu schaffen. Doch je nach Standort kann der Betrachter nur einen verschwommenen Blick auf die Kunst werfen. Die Folie überdeckt teilweise die Bilder, die man wie unter einem Schleier wahrnimmt. Man muss sich also bewegen, um klar zu sehen. maximal spielt hier auch mit dem häufig verbreiteten Konsumverhalten beim Betrachten von Kunst. Dem oberflächlichen Darüberhinweggehen ist ein Nachhaken, Hinterfragen, ein mehrmaliges, intensiveres Hinsehen gegenübergestellt.

Im Nebenraum der Ausstellung fokussiert sich unsere Wahrnehmung nochmals. maximal hat hier eine Lichtinstallation aufgebaut. Der Betrachter betritt den abgedunkelten Raum und wird von einem Klebestreifen auf dem Boden am Weitergehen gehindert. Das dort von der Decke herabhängende Kinderfernglas fordert zum Durchschauen, zum besseren Erkennen auf. Zu sehen ist auch ohne dieses Hilfsmittel an der gegenüberliegenden Wand der Schatten des Schriftzuges „meine Güte“, der Titel der Ausstellung. Es ist nur die Illusion von Sprache, weit entfernt, klein, unerreichbar gemacht, ebenso wie die Requisiten in den Folienräumen.

Meine Güte, was für eine Ausstellung!