Der Geist des Weins

Bacchus küsst Muse

 
 
 
 

Jürgen Altmann fotografiert die Stuttgart Philharmoniker.

 

Die Ausstellung ist noch bis 05. Oktober 2014 täglich von 

15 - 19 Uhr geöffnet - auch am Feiertag und am Sonntag. 

 

Laut Berichten der Vereinten Nationen sterben weltweit etwa 2,5 Mio. Menschen an den

Folgen des Missbrauchs von Alkohol. Das Zellgift Ethanol zerstört die Trinker, es frisst sich in Herz, Leber und Hirn.

Rechnet man Suchtkranke, Verkehrstote und andere alkoholbedingte Kollateralschäden mit ein, wird eines klar: Es existiert kaum eine gefährlichere Droge als Alkohol. Das alles ist seit langem bekannt und trotzdem lassen die Menschen nicht von Bier, Schnaps und – Wein. Die Prohibition ist gescheitert, hohe Steuern mindern den Durst der Trinker nur geringfügig und Aufklärungskampagnen erzielen kaum Effekte.

Und trotz dieses Befundes veranstalten wir eine Ausstellung, die auch König Alkohol thematisiert. Woran liegt das?

Droge zur Kultur

Alkohol ist eine der ältesten Drogen der Menschheit. Das Trinken fing schon in der Frühgeschichte an. Trinken und Zivilisation gehören zusammen. 9.000 Jahre alt sind die ersten stoffligen Überreste von Alkohol: Im chinesischen Jiahu braute man einst ein alkoholhaltiges Getränk aus Reis, Früchten und Honig. Erste Spuren von Wein lassen sich um 5.000 v. Chr. in Tepe im heutigen Iran feststellen. Auch in Europa hat schon in der Jungsteinzeit der Alkohol die Leute zusammengebracht.

 Sobald die Menschen einen Weg fanden, berauschende Getränke zu produzieren konsumierten sie diese auch. Unabhängig voneinander entdeckten die Kulturen überall auf der Welt den Alkohol. Was zur Verfügung stand wurde vergoren. In Afrika setzte man auf ein Gebräu aus Hirse oder Bananen, in Mittelamerika gab es Schokoladenwein und in Europa wurde der Wein zum wesentlichen Bestandteil religiöser Zeremonien der Kirchen.

Jetzt legen die Stuttgarter Philharmoniker in der Konzertsaison 2014/2015 eine Konzertreihe zum Thema „Der Gott des Weines“ auf. Das kommt nicht von ungefähr:

 Auch zwischen der Musik und dem Alkohol bestehen vielfältige Beziehungen, und zwar nicht nur dergestalt, dass viele Musiker und Interpreten offensichtlich den Suchtstoff für ihr Schaffen benötigen – und dabei nicht selten lethal überziehen. Aus der jüngeren Vergangenheit sei hierzu nur an Amy Winehouse (nomen est omen) erinnert die im Jahr 2012 wegen Alkoholvergiftung das Zeitliche segnete, in direkter Tradition zu Janis Joplin, die sich bereits vier Jahrzehnte zuvor, nämlich im Jahr 1970 zu Tode soff.

 Das Phänomen ist jedoch keineswegs auf das weibliche Geschlecht beschränkt und auch nicht auf die Jetzt-Zeit.

 So starb Ludwig van Beethoven mit nur 57 Jahren im Jahr 1827 an Leberzirrhose in Folge unmäßigen Weingenusses.

 Durchstreift man die Musikgeschichte, wird man vielfach fündig:

Bekannt ist Richard Wagners Liebe – nicht zum Wein, sondern zum Bier, was nicht von ungefähr kommt, liegt Bayreuth doch im Herzen der Region, die noch heute die größte Brauereidichte der Welt hat. Über 260 kleine und große Brauereien haben hier ihren Sitz und Brauen über 1.000 verschiedene Sorten Bier. Siegfried war vermutlich schaumgeboren.

Fast zeitgleich flüchtet Max Reger vor Vereinsamung und Depression immer wieder in den Alkohol, kommerzielle Misserfolge verstärken seine Alkoholabhängigkeit. Im Jahr 1906 erleidet er alkoholbedingt sogar einen Zusammenbruch während eines Konzertes. Und 1914 noch einmal.

Darin unterscheidet er sich nicht von Modest Petrovic Musorski, der eine knappe Generation zuvor im Alter von nur 42 Jahren an den Folgen einer jahrelangen Alkoholabhängigkeit verschied.

 Ganz ähnlich Georg Friedrich Händel, der trotz seiner Erfolge in England zerrieben wurde zwischen seinem Anspruch und den Erwartungen des Publikums. Auch er nahm Zuflucht zum großen Helfer Alkohol, ob Wein oder Whiskey oder beides ist nicht überliefert.

Franz Schubert, das Genie aus Wien, war ebenfalls einem guten Tropfen nicht abgeneigt. Ab 1822 trat jedoch zutage, dass seine zunehmende Affinität zu Alkohol seiner Gesundheit nicht zuträglich war. Gestorben ist er allerdings an der Syphilis.

Schließlich Christoph Willibald Gluck, geb. 1714 und verstorben 1787. Auch Glucks Alkoholkonsum war nicht gerade gering. Regelmäßig trank er abends sein Fläschchen, nicht Gläschen, Wein und wenn es darauf ankam auch mehrere davon. Häufig leistete er sich den gerade in Mode gekommenen Champagner und musste später im Leben von seiner Frau auf Entzug gesetzt werden.

Doch auch die Musikanwender, also die Dirigenten, waren alles andere als Waisenknaben. Ich erinnere hier nur exemplarisch an den Dirigenten Konwitschny, vormaliger Generalmusikdirektor, Professor, Ehrendoktor, Chefdirigent der Ostberliner Staatsoper Unter den Linden und des Leipziger Gewandhaus - Orchesters, der ebenfalls gern dem Alkohol zusprach, musste sich im Jahr 1960 gegenüber der Bild-Zeitung über einen Artikel streiten, der seine  Trinkfreudigkeit breit auswalzte.

 Trotz dieses bedenklichen Befundes haben sich die Stuttgarter Philharmoniker dazu entschlossen, den Geist des Weines in Töne umzusetzen.

 Das kommt nicht von ungefähr, dient doch die Musik insofern ähnlich und doch viel ungefährlicher als der Alkohol der Transzendenz der Wirklichkeit, dem Gefühlstransport der Verstärkung von Gefühlen und ganz allgemein der Schaffung angenehmer Stimmungen. Die Verknüpfung der beiden Bereiche geschieht heute optisch, nämlich durch die Fotos, die auszustellen wir heute die Ehre haben.

 Die Philharmoniker haben sich hierzu mit dem Fotokünstler Jürgen Altmann aus Stuttgart zusammengetan und im Rahmen eines Fotoprojektes versucht, das musikalische Thema in Bilder zu fassen.

 Altmann stammt aus Augsburg und hat sich seit Jahren erfolgreich in die Geheimnisse der digitalen Fotografie eingearbeitet. Bereits in der Vergangenheit hat er mehrfach mit den Philharmonikern zusammengearbeitet und die Themen von Konzertreihen optisch umgesetzt. Die erfolgreichen Arbeitsergebnisse finden Sie ebenfalls in dieser Ausstellung. Nicht zuletzt Dank der freundlichen Unterstützung der Rechtsanwälte Diem.

Darüber hinaus finden Sie in einer der Nischen hinten Exponate des Märchenprojektes von Jürgen Altmann. Hier hat er uralte Märchenmotive in moderne Bildsprache übersetzt und Sie können raten, welches Märchen auf welchem Foto dargestellt ist.

 Das diesjährige Thema ist der Künstler so angegangen, dass er in den reichen Fundus der Malerei eintauchte, um darin Referenzen zum Thema zu finden – und er ist vielfältig fündig geworden. Das verwundert nicht, denn ebenso wie die Komponisten sind auch die Bildenden Künstler dem Alkohol nicht abgeneigt, ohne unserem heutigen Künstler zu nahe treten zu wollen. Gleiches gilt im Übrigen für die Philharmoniker und ihre Leitung.

Jürgen Altmann hat bei seinen Werken nicht etwa die Gemälde, auf die es ihm ankam, sklavisch nachgestellt. Nein.

Er hat sie in moderne Bildsprache übersetzt. Das heißt:

Keine altertümlichen Kostüme und Accessoires. Stattdessen moderne Kleidung und Gegenstände – wie etwa eine Elektrogitarre.

Und trotzdem entsteht der Eindruck, es handele sich um etwas ganz Altes aus der Zeit von Lorenzo Lippi, Theodor Rombouts, Joseph Heimor u.a., die sämtlich in der frühen Neuzeit lebten und malten und deren Themen unser Künstler in die Gegenwart übersetzt hat.

 Als Models setzte der Künstler wie in den Vorjahren die Mitglieder der Philharmoniker ein, die sich unter großem persönlichen Einsatz als Modelle zur Verfügung stellten. Einige verzichteten sogar wochenlang auf den Rasierapparat.